Kontakt

Menü

Artikel

Wie digitale Technologien die Immobilienwelt auf den Kopf stellen

Die Nutzung von Plattformen wie iTunes oder Uber gehört für viele Menschen zum Alltag. Was macht die Geschäftsmodelle so attraktiv, worin unterscheiden sie sich von klassischen Geschäftsmodellen und inwiefern betrifft das die Immobilienwirtschaft über AirBnB hinaus?

4. Februar 2019

Gerald Kremer

Chief Digital Officer Global Real Estate, Credit Suisse Asset Management

Handelszeitung Spezialbeilage „Immobilienwirtschaft“, 30. Januar 2019

Plattformgeschäftsmodelle

Während in den 90er Jahren damit begonnen wurde, das Internet als Vertriebskanal zu nutzen, haben in den letzten zehn Jahren Plattform-Geschäftsmodelle den reinen Online-Vertrieb von Produkten und Services überholt. Spätestens seit dem Siegeszug von Facebook, AirBnB & co sind Plattformen aus unserem Leben nicht mehr wegzudenken.

Bei Plattformen handelt es sich im Gegensatz zum reinen E-Commerce um einen virtuellen Marktplatz, der Nutzen stiftende Transaktionen zwischen Produzenten und Konsumenten fördert. Dabei wird – abweichend zu herkömmlichen, linearen Geschäftsmodellen – der Mehrwert nicht lediglich durch die Produzenten erschaffen und am Ende der Wertschöpfungskette an die Kunden weitergegeben. Vielmehr treten Produzenten und Kunden bereits in der Mehrwert-Entstehungsphase miteinander in Kontakt.

Plattformen als digitale Infrastruktur und Marktplatz

Plattformen fungieren dabei als digitale Infrastruktur und häufig auch als Vermittler, der die Interaktion von zwei oder mehr Gruppen ermöglicht und fördert: Kunden (Mieter, Käufer, Verkäufer), Dienstleister und Lieferanten (Facility Management, Property Management, Asset Management etc.) und physische Objekte (Smart Devices aus dem Internet der Dinge). 

Die bei solchen Interaktionen generierten Daten stehen dem Plattformbetreiber in der Regel privilegiert zur Verfügung. So hat beispielsweise Google sein komplettes Geschäftsmodell rund um diese Daten aufgebaut. Eine wichtige Ertragsquelle von Plattformen sind häufig auch Transaktions- bzw. Vermittlungsgebühren, welche von Produzenten und Konsumenten als Entgelt für das gegenseitige Finden an den Plattformbetreiber erstattet wird.

Wichtige Merkmale erfolgreicher Plattformen sind u.a. der schnelle und unkomplizierte Zugang für alle Benutzer sowie die sofortige Verfügbarkeit eines breiten Angebots auf Angebots- und Nachfrageseite. Die Plattformen profitieren dabei von positiven Netzwerkeffekten: Die Zahlungs- und Teilnahmebereitschaft von Nutzern steigt ab dem Erreichen einer kritischen Masse exponentiell mit der Zahl der Nutzer der Plattform. Dies impliziert, dass die Nachfrage eines Benutzers von der Nachfrage anderer Nutzer abhängig ist. 

Und genau das ist die Schwierigkeit beim Aufbau von Plattformgeschäftsmodellen: Das Erzeugen von Angebot und Nachfrage, das Erreichen einer kritischen Masse von aktiven Benutzern auf beiden Seiten. Genau dieser Sachverhalt ist derzeit bei Immobilien-Transaktions-Plattformen für die institutionelle Immobilienwirtschaft  zu beobachten. Was ist zu tun, um die erforderliche kritische Masse zu erreichen? Ein wichtiges Element für die Bindung von Nutzern an eine Plattform sind Lock-In-Effekte verschiedenster Art. Beispielsweise ist es mit einem erheblichen Aufwand verbunden, von einem sozialen Netzwerk in ein anderes zu wechseln.

Plattformgeschäftsmodell Mieterapp

In der Immobilienwirtschaft gibt es seit einiger Zeit sogenannte Mieterplattformen, so dass Mieter mit dem Immobilienbetreiber in Kontakt treten können, um technische oder kaufmännische Sachverhalte zu klären, Dokumente zu ihrem Mietobjekt abzurufen oder hochzuladen, haushaltsnahe Dienstleistungen abzurufen und Räume oder Parkplätze zu buchen. Mitunter werden auch elektronische Conciergedienste, Smarthome-Anbindung und weitere Services angeboten. Viele weitere Anwendungen, auch an der Schnittstelle zur Smart City, sind denkbar. Spannend ist in diesem Zusammenhang insbesondere die Vision, über den Ausbau und die Integration einer solchen Plattform in ein übergeordnetes immobilienwirtschaftliches Ökosystem weitere an der Wertschöpfung beteiligte Partner wie Facility- und Property Manager, Handwerksbetriebe, Ämter und Behörden einzubinden. 

Der Schlüssel ist der Schlüssel

Wie aber schafft man es, seine Kunden und Mieter langfristig an eine solche Plattform zu binden, sprich die Nachfrageseite zu stärken? Hier könnte die digitale Gebäudetechnologie entscheidende Starthilfe leisten. Elektronische Schliesssysteme, die den Zugang zu Liegenschaften und Räumen per Smartphone ermöglichen, zeigen im Piloteinsatz hervorragende Nutzerakzeptanz. Unter anderem hat der Nutzer hiermit jederzeit die Kontrolle darüber, wer wann seine Wohnung oder sein Büro betreten darf, kann solche Berechtigungen auch kurzfristig erteilen oder entziehen, etwa um Nachbarn oder Dienstleistern für einen begrenzten Zeitraum Zutritt zu gewähren.

Dieser digitale Schlüssel kann über eine Mieterplattform bereitgestellt werden, über die die oben genannten Services jederzeit verfügbar sind. Diesen digitalen Schlüssel würde man vermutlich ebenso wenig wegwerfen, wie den guten alten Wohnungsschlüssel. Man würde ihn vielmehr jeden Tag mehrmals benutzen.  Und wenn dieser Schlüssel noch mehr kann, als nur im Moment der Nutzung die Tür zu öffnen, kann für Plattformgeschäftsmodelle die Mieterapp zum iTunes der Immobilienwirtschaft – und der Schlüssel zum Schlüssel werden.