Welche Faktoren limitieren die rasche Verbreitung von «Deep Learning Robots»?
Roland Siegwart: Unter «Deep Learning» werden üblicherweise lernfähige Algorithmen verstanden, die unser heutiges Verständnis des Hirns grob und natürlich noch sehr eingeschränkt abbilden. Dabei werden über ein neuronales Netzwerk und viele Übungsbeispiele nichtlineare Funktionen gelernt, zum Beispiel, welche Region eines Bildes eine Strasse oder ein Feld darstellt. Bei eindimensionalen Problemen, z. B. der Analyse von medizinischen Bilddaten, konnten in den letzten Jahren grosse Fortschritte gemacht werden. Computer können heute Krebsgewebe in Bildern zuverlässiger erkennen als Menschen.
Und wie sieht es bei den mehrdimensionalen Problemen aus?
Roland Siegwart: Das mehrdimensionale Erlernen von komplexen Zusammenhängen benötigt Millionen von Lernbeispielen und um Dimensionen grössere Rechenleistungen. Die heutigen Konzepte von Deep Learning können das nicht leisten. Weiterhin benötigt es für das Lernen immer eine Zielvorgabe, deren Definition für komplexe Abläufe sehr schwierig wird. Deep-LearningAlgorithmen sind heute noch nicht viel mehr als Programme, die die Optimierung und Analyse von grossen Datenströmen ermöglichen. So erlaubt Deep Learning zum Beispiel die Identifikation von Krebsgewebe (Output) auf der Basis von Bildern (Input). Darin sind Computer besser als wir Menschen, weil sie viel schneller auf grosse Datenmengen zugreifen und sie verarbeiten können. Heute ist die Künstliche Intelligenz (KI) aber noch sehr eingeschränkt in ihren Fähigkeiten. Daher ist es sehr gewagt, von KI-Systemen, die strukturierte und enge Probleme lösen, auf Robotersysteme, die sehr komplexe und multimodale Probleme unseres täglichen Lebens angehen sollten, zu extrapolieren.
Ohne massive Fortschritte in der Landwirtschaft und in der Verteillogistik bleibt die Unter- und Mangelernährung grosser Teile der Weltbevölkerung bestehen. Wie können Roboter zur Linderung dieses Problems beitragen?
Roland Siegwart: In der Landwirtschaft besteht ein sehr hohes Potenzial für Roboter. Roboter können Felder kontinuierlich überwachen und sofort eingreifen, etwa wenn mehr Wasser, Dünger oder die Bekämpfung von Schädlingen nötig ist. Dies ermöglicht in naher Zukunft eine viel nachhaltigere Landwirtschaft, die Ressourcen wie Dünger oder Wasser optimal einsetzt und Pestizide präzise dosiert. Es ist zu erwarten, dass mit einem Bruchteil der Pestizide der gleiche Effekt erzielt oder ein grosser Teil der Schädlingsbekämpfung rein «mechanisch» erledigt werden kann. Heute gehen ca. 30% der Nahrung schon auf dem Feld verloren und weitere 30% in der Verteilung und Lagerung.
Es ist bewiesen, dass Roboter von Menschen lernen können, doch können Menschen auch von Robotern lernen?
Roland Siegwart: Heute können Menschen im täglichen Leben kaum etwas von Robotern lernen. Sie können aber eine optimale Zusammenarbeit anstreben, denn Roboter und Menschen habe sehr komplementäre Fähigkeiten: Roboter ermüden nicht, können sehr präzise Bewegungen ausführen und grosse Lasten tragen. Menschen sind unschlagbar, wenn es um die Analyse von komplexen Systemen, die Interaktion mit Mitmenschen oder die Generierung von neuen Ideen geht.
Filippo Rima (lacht): Ich komme zum Schluss, dass wir sehr wohl etwas von Robotern lernen können. Disziplin, Fleiss, Präzision und Belastbarkeit sind ja Tugenden, von denen auch wir Menschen manchmal etwas mehr brauchen können.