In Ihrer Arbeit fokussieren Sie sich auf Anleihen aus Schwellenländern mit Investment-Grade-Rating. Was ist das genau?
Es handelt sich dabei um Unternehmensanleihen aus Schwellenländern, die von den grossen Ratingagenturen als solide eingeschätzt werden und somit mit einem guten Rating – einem Investment-Grade- oder IG-Rating – versehen werden. Das heisst in erster Linie, dass das Ausfallrisiko als sehr gering gilt. Ein solches Rating erlangen Unternehmen, die sorgfältig wirtschaften, über genügend liquide Mittel und ein robustes Geschäftsmodell verfügen und sich in einem stabilen Umfeld bewegen. Dies führt insbesondere dazu, dass Unternehmen aus Ländern mit einem niedrigen Rating gänzlich aus diesem Segment wegfallen.
Häufig handelt es sich dabei um Anleihen grosser Unternehmen, die einen Teil ihrer Umsätze überregional oder global erzielen, die aus Ländern mit zuverlässiger Marktstruktur und einem konstanten regulatorischen Umfeld stammen und die eine entsprechende Kredithistorie aufweisen. Viele dieser Unternehmen sind zu einem Teil auch im Staatsbesitz.
Wie hat sich COVID-19 auf dieses Segment ausgewirkt?
Die Pandemie kam für die Finanzmärkte genauso schnell und überraschend wie für die breitere Gesellschaft. Die Zeit für differenzierte Betrachtungen und Beurteilungen fehlte. Entsprechend wurde in breiten Kategorien gedacht und vieles über einen Leisten geschlagen. Konkret bedeutet dies Folgendes: Schwellenländer gelten als labiler und krisenanfälliger, da ihre Institutionen – Regierungen, Verwaltungen und Märkte – oft schwächer aufgestellt sind. Spreads (Renditeunterschiede, ein marktbestimmtes Mass des relativen Risikos) zu entsprechenden Anleihen aus Industrienationen stiegen also über sämtliche Regionen, Sektoren und Ratingkategorien sprunghaft an. Einerseits, weil die Risiken in den Schwellenländern plötzlich als deutlich höher eingeschätzt wurden. Andererseits, weil die grossen Zentralbanken der industrialisierten Welt – allen voran die US-Notenbank (Fed) – den lokalen Märkten schnell und aggressiv unter die Arme griffen und damit ein Signal der Entspannung sendeten.
Dass davon im Schwellenländersegment auch Anleihen mit hohem Rating – Investment-Grade eben – und Länder, welche die Pandemie schnell unter Kontrolle brachten, betroffen sind, eröffnet handfeste Chancen für Investoren.