Was ist eine Contingent-Capital-Anleihe?
R. W.: Contingent-Capital-Anleihen – häufig als CoCo-Bonds oder nur CoCos (von Contingent Convertible Bonds) bezeichnet – sind Wertpapiere, die Banken begeben, um ihre regulatorischen Kapitalanforderungen zu erfüllen. Innerhalb der Kapitalstruktur einer Bank sind CoCos direkt über dem Stammkapital angesiedelt. Doch im Gegensatz zu anderen hybriden Kapitalinstrumenten haben sie einen vertraglich geregelten Auslöser (Trigger-Marke), der an die Eigenkapitalquote des Emittenten gebunden ist. Tritt das Trigger-Ereignis ein, wird der CoCo-Bond entweder in Stammaktien umgewandelt oder es erfolgt eine Abschreibung des Nennwerts. Die Idee dahinter ist, dass durch die Verlustabsorption die Eigenkapitalausstattung des Emittenten wiederhergestellt wird, ohne zusätzliche Liquidität bereitzustellen. Angesichts der Nachrangigkeit und der emittentenfreundlichen Optionen, die im Wertpapier eingebettet sind, muss eine Kompensation durch höhere Credit Spreads erfolgen – das heisst, die Anlageklasse bietet relativ hohe Renditen. Derzeit weisen die von europäischen Banken offerierten CoCos einen durchschnittlichen Spread von knapp über 424 Basispunkten (Bp) auf.1
Es ist eine relativ neue Anlageklasse. Wie hat sie sich bisher entwickelt?
H. K.: CoCo-Bonds entstanden im Nachgang der Finanzkrise 2008 und haben zum Ziel, die Bilanzen europäischer Banken zu stärken und im Hinblick auf die Erfüllung der Eigenkapitalanforderungen nach Basel III für das nötige Solvenzkapital zu sorgen. Seither sind sie ein fester Bestandteil der Regulierungsreformen, die im Zuge einer substanziell verbesserten Eigenkapitalausstattung und einer niedrigeren Kapitalvolatilität zu einer deutlichen Reduktion des Risikoprofils von Banken geführt haben. Der CoCo-Markt hat derzeit ein Volumen von EUR 200 Mia.1
Verglichen mit anderen Kreditsegmenten besetzen Contingent-Capital-Anleihen eine relativ kleine Nische. Warum ist die Anlageklasse nicht noch stärker gewachsen?
R. W.: Die Mehrheit der grösseren Banken in Europa hat inzwischen die Anforderungen an die Eigenkapitalausstattung weitgehend erfüllt. Weitere Emissionen wären sehr kostspielig und würden die Nettozinsmarge zusätzlich belasten. Wir erwarten daher, dass sich die Emissionstätigkeit künftig hauptsächlich auf die Refinanzierung bestehender Papiere beschränkt und sich das Wachstum der Anlageklasse abflacht. Aus Anlegerperspektive ist der CoCo-Markt, bedingt durch seine Komplexität und technischen Gesichtspunkte, wie etwa die relativ hohen Mindeststückelungen, weniger überlaufen. CoCos bieten somit eine attraktive Anlagechance.
Contingent-Capital-Anleihen erlitten im März 2020 eine ziemlich starke Korrektur, die ausgeprägter war als bei den meisten anderen Kreditsegmenten. Was war der Grund hierfür?
H. K.: Der markante Rückgang der Bewertungen im März 2020 war im Wesentlichen auf die Furcht vor signifikanten Kreditverlusten, die ungewisse Erfüllung von Couponzahlungen, eine angespannte Liquidität und erhöhte Laufzeitverlängerungsrisiken zurückzuführen. Wir sehen jedoch einen deutlichen Unterschied zwischen der aktuellen COVID-19-Krise und der Finanzkrise von 2008, als die Banken unterkapitalisiert und Ursache für den Stress im Finanzsystem waren. Die Banken sind heute erheblich besser auf eine Konjunkturschwäche vorbereitet. Mit einer durchschnittlichen Quote des harten Kernkapitals (CET1-Quote) von aktuell 14 %, verglichen mit 7 % im Jahr 2007, sind sie ausserdem gestärkt in die aktuelle Krise eingetreten.