Beton erlaubt neue Möglichkeiten
Im Jahr 1824 wurde der Zement wiederentdeckt. Für den geplanten Ausbau des Eisenbahnnetzes war der Baustoff begehrt. Aufgrund der zahlreichen Kalksteinvorkommen entstanden Ende des 19. Jahrhunderts im Land zahlreiche Zementwerke.
Ab 1890 schuf die Erfindung des Eisenbetons die Voraussetzungen für eine kühne Formgebung und die Architektur der Moderne. Dank der eingegossenen Armierungseisen erhöhte sich die Tragfestigkeit des Baustoffs, der jetzt neben dem Einsatz bei Brücken auch vermehrt bei Hochbauten Verwendung fand – etwa bei Fabriken, Silos und Lagerhäusern.
Doch bevor der Beton seinen Siegeszug antreten konnte, entstanden in den Städten nach der Jahrhundertwende die Blockrandbebauungen: vier- bis sechsstöckige, gegen die Strasse ausgerichtete Mietskasernen um Innenhöfe herum. Grosse Arbeiterfamilien wohnten hier in engen Verhältnissen unter oft prekären Lebensumständen.
Ab den 1920er-Jahren fand ein Umdenken statt. Bei Stadterweiterungen setzte man neu auf frei stehende Bauten mit neuen Umgebungselementen wie Grünanlagen und Pärken. Gleichzeitig reifte das Bewusstsein für den Wert und die Erhaltung historischer Bauten. Heutzutage werden bauliche Kulturdenkmäler gepflegt und regelmässig renoviert.
Was mit Beton neben Ingenieurbauwerken, wie zum Beispiel Brücken und Staumauern, alles möglich ist, zeigte in den 1930er-Jahren der spektakuläre Bel-Air-Turm in Lausanne auf. Erbaut mit Betonelementen im neoklassizistischen Stil, gilt er mit seinen 68 Metern Höhe als erster «Wolkenkratzer» der Schweiz.
Während des Zweiten Weltkriegs waren zahlreiche Baustoffe knapp. Daraus resultierte eine schweizweite Wohnungsnot, die aufgrund der Zuwanderung bis Mitte der 1970er-Jahre andauerte. Um Abhilfe zu schaffen, wurde ab 1945 der Wohnungsbau stark gefördert, was wesentlich zum wirtschaftlichen Aufschwung beitrug.
Ab den 1960er-Jahren setzte sich der Beton als dominierender Baustoff im Land endgültig durch. Zunehmend erleichtern Maschinen das Bauen – Häuser werden immer schneller errichtet. Baupläne werden neu am Computer erstellt und lassen sich einfach adaptieren. Erst die Immobilienkrise Anfang der 1990er-Jahre führte zu einem Einbruch der Bautätigkeit und zum Ende des Baubooms.
In der Folge kamen die Themen Landschaftsschutz und Raumplanung auf. Sie führten zu einer verdichteten Bauweise – besonders in den Agglomerationen, wo das Bauland knapp ist.
Nachhaltigkeit und Kreislaufwirtschaft
Seit Beginn des 21. Jahrhunderts ist Nachhaltigkeit das grosse Thema des Bauens. Gleichzeitig findet eine Rückbesinnung auf traditionelle Baustoffe statt – Lehm und Holz etwa feiern ein Revival. In der Stadt Zug konkretisieren sich seit 2019 die Pläne für ein 80-Meter-Hochhaus aus Holz.
Schwindende Ressourcen zwingen die Bauwirtschaft, Baustoffe zu recyceln. Doch die Zukunft gehört der sogenannten Kreislaufwirtschaft. Sie basiert auf dem Prinzip der Wiederverwendung von vorgefertigten, normierten Bauteilen. Diese lassen sich später ohne zusätzliche Bearbeitung auseinandernehmen und wiederverwerten. Material- und Produktkreisläufe können so geschlossen werden. Besonders prädestiniert dafür sind Stahl und Holz, aber auch Betonfertigteile. Noch steht die Kreislaufwirtschaft im Bauwesen am Anfang.
Der Fokus liegt heute vor allem auf der Optimierung bestehender und der Entwicklung synthetischer Baumaterialien, beispielsweise hochbelastbarer, aber leichter Bodenelemente. Parallel dazu revolutionieren digitale Tools die Bauplanung. Dazu gehört zum Beispiel BIM (Building Information Modeling). Dieses erleichtert die Planung, den Unterhalt, den Betrieb und die Renovation sowie die Überwachung des gesamten Lebenszyklus einer Immobilie.
Das Haus der Zukunft: digital gedruckt und umweltschonend
Bei der Realisierung des zukunftsweisenden DFAB HOUSE (Digitally Fabricated) in Dübendorf treffen traditionelle Bauweisen und neue Konzepte der digitalen Welt aufeinander. Dank des Einsatzes digitaler Technologien war die Errichtung des dreistöckigen Hauses nachhaltiger und effizienter, als es mit einer herkömmlichen Bauweise möglich gewesen wäre.
Heute ist es das weltweit erste bewohnte Gebäude, das mit Robotern und 3D-Druckern mehrheitlich digital geplant und erbaut wurde. So stammt beispielsweise die Schalung für die 80 m2 grosse Geschossdecke vollumfänglich aus einem 3D-Drucker. Im smarten Haus lassen sich kommunikationsfähige Küchengeräte ebenso mit Sprachsteuerung bedienen wie die Heizung. Auch der Unterhalt der Immobilie ist ressourcenschonend.
Das futuristische Haus ist Teil des Forschungs- und Innovationsgebäudes NEST von Empa und Eawag. Geplant und realisiert wurde es vom Nationalen Forschungsschwerpunkt «Digitale Fabrikation» an der ETH Zürich in Zusammenarbeit mit zahlreichen Wirtschaftspartnern. Wann, ob und in welcher Form sich die Bau- und Konstruktionsweise in der Bauwirtschaft durchsetzen wird, ist offen.