«Bei leer stehenden Wohnungen liegt viel Potenzial brach»
Im Gespräch mit Alexandros Tyropolis
Gründer und Geschäftsführer von Novac-Solutions
Herr Tyropolis, wie verbreitet sind Zwischennutzungen in der Schweiz?
Alexandros Tyropolis: Bis vor ein paar Jahren galten sie als Nischenbereich. Das Wort «Zwischennutzung» ist in der Immobilienbranche oft negativ konnotiert, die Menschen denken unter anderem an Hausbesetzungen. Ich spreche deshalb lieber von einer temporären Nutzung leer stehender Immobilien.
Die Gründe für eine temporäre Nutzung sind unterschiedlich. Es kann sich um einen Neubau handeln, aber auch um ein Haus, das abgerissen werden soll. Bisher haben wir in der Schweiz Leerstände hingenommen mit der Begründung, dass sie nur vorübergehend sind. Da liegt aber viel Potenzial brach.
Bei welchen Immobilien sehen Sie vor allem Potenzial?
Öffentlichkeitswirksame Zwischennutzungen wie die Immobilie in Zürich-Oerlikon haben Leuchtturmcharakter und sensibilisieren Investoren dafür, sich mit dem Thema und den Möglichkeiten auseinanderzusetzen. Gleichzeitig dürfen wir die vielen weniger prominenten Liegenschaften nicht vergessen. 2021 standen schweizweit rund 72’000 Wohnungen leer, umgerechnet entgehen der Immobilienbranche so jährlich über eine Milliarde Schweizer Franken an Mietzinseinnahmen. Nur schon deshalb, aber auch aus Sicht einer zeitgemässen Corporate Social Responsibility, sollte die temporäre Nutzung eines Leerstands geprüft werden.
Eignen sich sämtliche Immobilien für Zwischennutzungen?
Grundsätzlich ja, aber natürlich bietet nicht jedes Gebäude die gleichen baulichen und geografischen Voraussetzungen. Deshalb passen wir unsere Konzepte immer der Immobilie an, denn jede Immobilie bietet individuelle Möglichkeiten und Chancen.
Werfen wir einen Blick ins Ausland: Wie weit ist hier das Konzept der Zwischennutzung?
Pop-up-Projekte finden sich fast überall, vor allem in Ladenflächen. Unser Vorgehen, die Portfolios gesamtheitlich auf das Potenzial einer professionellen temporären Nutzung zu prüfen, individuelle Konzepte zu entwickeln und diese dann auch selbst umzusetzen und zu betreiben, ist jedoch einmalig.
In Städten wie Amsterdam, Berlin, Wien, London oder New York findet sich Inspiration. So fristet beispielsweise Co-Living kein Nischendasein, sondern ist auf dem Markt sehr gefragt. In Amsterdam gibt es in Industriegebieten spannende Wohn- und Arbeitskonzepte, sogar in einem Hafenkran wurden Wohnungen erstellt. Und in ehemaligen Bootsbauhallen findet man heute Restaurants, Co-Working-Räume und Cafés in derselben Lokalität. Im Ausland fasziniert mich immer wieder, dass die verschiedenen Aktivitäten des Lebens unter einem Dach vereint werden: Wohnen, Arbeiten, Essen und Schlafen finden an einem Ort zusammen. Der Fokus liegt hier weniger auf Perfektion, sondern mehr auf Ausprobieren und Umsetzen.