Die heute gängigen Nachhaltigkeitslabels fokussieren sich meist auf die Erstellungs- oder Erneuerungsphase von Immobilien. Der konkrete CO2-Ausstoss in der Bewirtschaftungsphase wird dabei ausser Acht gelassen. Urs Frey, Fondsmanager bei Credit Suisse, begrüsst die Einführung der Benchmarks durch die Branchenvereinigung REIDA. «Der Energieverbrauch ist eine entscheidende Grösse für die Nachhaltigkeit. Mit dem neuen Index können nun auch Portfolios verglichen werden, die ältere Immobilien enthalten», so Frey. Die Transparenz bezüglich Energieverbrauch zahle sich auch für die Investoren aus, erhöht eine nachhaltige Energieversorgung doch den Wert einer Immobilie.
Eines der grössten Probleme auf dem Weg zu mehr Nachhaltigkeit besteht darin, dass nachhaltige Güter oder Dienstleistungen von aussen nicht als solche erkennbar sind. Das gilt im Besonderen auch für Immobilien. Vor etlichen Jahren begannen Anbieter daher, ihre Immobilien mit Gütelabels zu kennzeichnen. Derartige Gütesiegel dokumentieren für Käufer und Nutzer von Immobilien die Einhaltung nachhaltiger Prinzipien.
Der Erfolg der Umweltgütesiegel führte aber zu einem Wildwuchs von Labels und Ratings, was mit der Zeit eher Verwirrung stiftete, als zur Aufklärung beitrug. Nicht selten basieren Labels im Immobilienbereich auf 20 und mehr Faktoren. Dies erschwert die Vergleichbarkeit der verschiedenen Labels untereinander und beeinträchtigt letztlich auch die Interpretierbarkeit eines Ratings.
Ziel: Transparenz schaffen
Jüngst reifte die Erkenntnis, sich wieder vermehrt auf die wichtigsten Verbrauchs- und Emissionskennzahlen von Immobilien zu konzentrieren. Dazu zählen der Energieverbrauch, die CO2-Emissionen und der Anteil erneuerbarer Energie am Verbrauch. Viele Portfoliomanager haben mittlerweile präzisere Daten zu ihren Liegenschaften als noch vor einigen Jahren. Getreu dem Motto «Was man nicht messen kann, kann man nicht steuern» haben sie erhebliche Anstrengungen unternommen, um in den Besitz immer besserer Energiedaten zu gelangen. Was jedoch fehlt, sind Vergleichsgrössen, anhand derer die Portfoliomanager einordnen können, wie weit sie in ihren Bemühungen zur Reduktion des Energieverbrauchs und zur Eindämmung von CO2-Emissionen schon vorangekommen sind.
Im Grundsatz ist der Nachhaltigkeitsnachweis einer Immobilie eine überschaubare Aufgabe. Es gilt, die Energieverbräuche und CO2-Emissionen der Liegenschaften sinnvoll zusammenzutragen und zu normieren. Zumeist dient die Fläche der Liegenschaften als Normierungsbasis.
Doch welche Fläche soll man verwenden? Nutzt man die vermietete Fläche, dann schneidet ein Gebäude, das zu einem Fünftel ein unbeheiztes Lager umfasst, deutlich besser ab, obwohl es möglicherweise schlechter gedämmt ist. Dieses Beispiel zeigt, dass gerade bei Renditeliegenschaften der Teufel oft im Detail steckt und es einheitliche Regeln braucht.
Vergleichbare Standards setzen
Bei der Flächennormierung hat sich die sogenannte Energiebezugsfläche (EBF) durchgesetzt. Sie umfasst alle Gebäudeflächen, die beheizt oder klimatisiert werden. Damit sind aber oft noch nicht alle Fragen ausgeräumt – zählen z. B. der Liftschacht oder das Treppenhaus auch zur EBF? Um einen fairen Vergleich unter Immobilienportfolios zu ermöglichen, sind viele weitere, technisch schwierige Abgrenzungen notwendig. Dabei fehlt es oft an einem einheitlichen Vorgehen und entsprechenden Standards. Die fehlende Standardisierung führt dazu, dass die Kennwerte unterschiedlicher Immobilienportfolios miteinander nur selten eins zu eins vergleichbar sind.
Um diesem Problem beizukommen, hat der Non-Profit-Verein REIDA (Real Estate Investment Data Association) das Benchmarking-Projekt gestartet, damit auf diesem Feld grössere Transparenz geschaffen wird. Bereits im Jahr 2020 lief ein Pilotprojekt mit fünf grösseren institutionellen Immobilieninvestoren – darunter auch das Credit Suisse Asset Management. Im laufenden Jahr will man nun in einen periodischen operativen Betrieb übergehen.
Kontinuierliche Verbesserung der Messmethodik angestrebt
Teilnehmer am Benchmarking liefern die Daten ihres Immobilienportfolios und erhalten einen Bericht, der die wichtigsten Kennwerte der Nachhaltigkeit für das Portfolio als Ganzes wie auch für die einzelnen Liegenschaften ausweist. Ein Vergleich mit dem Gesamtuniversum der Liegenschaften ermöglicht sodann eine Einordnung, wie gut das eigene Portfolio im Vergleich zu anderen dasteht. Das jährliche Reporting zeigt Portfoliomanagern, welche Fortschritte sie mit den ergriffenen Massnahmen erzielen.
Dadurch dürfte mittelfristig das Wissen um wirkungsvolle Massnahmen deutlich zunehmen. Der Verein bietet gleichzeitig ein Forum, in dem Erfahrungen und Best Practices im Umgang mit der Nachhaltigkeit ausgetauscht werden können. Zudem soll die Messmethodik laufend verfeinert werden. Ziel ist es auch, die Datengrundlagen stetig zu verbessern. So sind beispielsweise der Typ einer Wärmepumpe oder die Energiequelle der Fernwärme für die Ökobilanz nicht unerheblich. Diese Informationen müssen jedoch zuerst zusammengetragen werden. Es gibt also noch viel zu tun, doch mit dem REIDA-CO2-Benchmark ist ein Anfang gemacht.