Kurze Hintergrundinformationen zur saisonalen Hurrikanprognose
Die vorsaisonalen Diskussionen haben bereits im letzten Dezember begonnen, als das Institut für Atmosphärische Wissenschaft der Colorado State University (CSU) eine erste qualitative Abhandlung zur Aktivität in der atlantischen Hurrikansaison 2019 veröffentlichte. Die CSU ist zusammen mit der Agentur Tropical Storm Risk (TSR) des University College London und dem National Hurricane Center der Nationalen Ozean- und Atmosphärenbehörde (NOAA) eine der Fachinstitutionen für Hurrikanprognosen. Eine erste saisonale Hurrikanprognose mit der Anzahl der prognostizierten Stürme und Hurrikane folgte Anfang April. Üblicherweise werden monatlich Aktualisierungen herausgegeben, die letzte wurde Anfang August veröffentlicht. Es überrascht nicht, dass die Prognosegenauigkeit bei den im Juli oder August – und damit kurz vor Beginn des Höhepunkts der Hurrikansaison – veröffentlichten Prognosen am höchsten ist. Die Hurrikansaison in den USA beginnt jedes Jahr offiziell am 1. Juni und endet am 30. November. In der Vergangenheit waren der August und der September die Spitzenmonate der Hurrikansaison mit der höchsten Sturm- und Hurrikanaktivität.
Seit mehr als einhundert Jahren wird die Hurrikanprognose mehr oder weniger wissenschaftlich durchgeführt. Anfangs konzentrierte man sich dabei auf die frühe Erkennung von herannahenden Stürmen, um die Bürger zu warnen und sie vorzubereiten. Saisonale Prognosemodelle gibt es erst seit ungefähr 20 Jahren und haben sich seitdem durch erhöhte Datenverfügbarkeit und Rechenleistung extrem verbessert. Dank der heute hoch entwickelten statistischen Prognosemodelle weisen späte Saisonprognosen üblicherweise eine bemerkenswerte Vorhersagegüte auf. Das bedeutet, dass sie hinsichtlich der Vorhersage von Sturm- und Hurrikanaktivitäten im Vergleich zu Vorhersagen ausschliesslich auf Basis von Klimastatistiken verlässlicher sind.
Der Schwerpunkt der Hurrikanprognose liegt immer noch darin, sich entwickelnde Stürme zu beobachten und deren kurzfristigen Verlauf und Stärke exakt zu bestimmen. Ziel ist es, die Bürger an der US-Küste oder betroffener Inseln zu warnen und vorzubereiten. Warum beschäftigen sich Forschungsinstitute denn dann überhaupt mit langfristigen Saisonprognosen? Laut der CSU wird dies gemacht, weil «es möglich ist» und weil «die Menschen es wissen wollen». Es gibt aber auch praxis- und geschäftsrelevantere Anwendungen für die saisonalen Hurrikanprognosen: Bereits 2003 verfasste Niklaus Hilti, heute CEO der Credit Suisse Insurance Linked Strategies Ltd., zusammen mit Mark Saunders von der heutigen TSR und David Simmons von der Benfield Group eine Studie,1 in der gezeigt wurde, dass der Einkauf von Rückversicherungen auf Basis von späten Hurrikanprognosen im Vergleich zu einer statischen oder auf Klimaforschung fokussierten Einkaufsstrategie bessere Ergebnisse lieferte. Seitdem wurden auch aufgrund der rasanten Entwicklung des ILS-Markts saisonale Hurrikanprognosen für die Anleger immer wichtiger, denn sie beeinflussen Einkaufs- und Hedgingstrategien. Es ist jedoch anzumerken, dass ein ILS-Portfolio die meisten US-Hurrikantransaktionen während der Vertragsverlängerungen im Januar und Mai/Juni abschliessen wird, zu einem Zeitpunkt, an dem erst frühe Saisonprognosen mit geringerer Vorhersagegüte verfügbar sind. Späte Saisonprognosen sind hingegen am nützlichsten, um Anpassungen an bestehenden US-Hurrikanexposures vorzunehmen.