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«Architektur soll gefallen, aber nicht unnötig auffallen»

Der Schweizer Architekt und Städtebauer Harry Gugger setzte national und international bereits unzählige Grossprojekte um, so auch für Global Real Estate von Credit Suisse Asset Management. Für ihn soll Architektur gefallen, aber nicht unnötig auffallen.

16. November 2021

Im Gespräch mit Harry Gugger

Professor für Architektur und Städtebau an der ETH Lausanne (EPFL) und leitender Geschäftsführer des Architekturbüros Harry Gugger Studio in Basel

modern city

Im Interview erklärt Harry Gugger, was Architektur leisten sollte und was sie «schön» macht.

Herr Gugger, beginnen wir mit einer philosophischen Frage: Was ist und was soll Architektur?

Harry Gugger: Grundsätzlich soll ein Bau die Funktion erfüllen, die ihm zugedacht ist. Die Architektur findet ihren Ursprung in Schutzbauten. Aus diesen einfachen Gebäuden entwickelten sich komplexe Architekturen, die vielfältige Lebens- und Arbeitsformen ermöglichen. Welchen Einfluss und welche Bedeutung beispielsweise der Wohnungsgrundriss auf unser Wohlbefinden hat, wird uns gerade jetzt während der Pandemie vor Augen geführt.

Als Architekt haben wir dem Auftrag der Bauherrschaft zu entsprechen. Gleichzeitig tragen wir eine gesellschaftliche Verantwortung und müssen dem Kontext, in den das Objekt eingebettet wird, gerecht werden. So gefasst fördert Architektur den kulturellen Austausch. Ich denke hier an eines meiner bedeutendsten Projekte während meiner Zeit bei Herzog & de Meuron, die Tate Modern in London. Die dank dem Projekt zugänglich gemachte Turbinenhalle verleiht dem Ort – in ihrer Bespielung als Ausstellungsraum – eine städtebauliche Einzigartigkeit. Dies wurde weder in der Ausschreibung eingefordert, noch war es vorhersehbar.

Als Architekt sind Sie ein kreativer Gestalter. Ist gute Architektur automatisch schön? Gibt es eine universelle Ästhetik in der Architektur?

Damit ein Gebäude lange genutzt wird – und dies ist ein zentraler Anspruch der Nachhaltigkeit –, muss es nicht nur flexibel nutzbar und baulich anpassbar sein, sondern es muss auch gefallen. Wird Architektur vorrangig objekthaft gedacht und ist der Umgebung nicht angepasst, kann dies die allgemeine Identifikation mit dem Bau verhindern.

Eine angemessene Ästhetik ist somit sehr wichtig. Architektur soll die Menschen erfreuen und sich gleichzeitig in die Umgebung einpassen. Es gibt verbindende, allgemeine Schönheitsideale und kulturelle Regeln. In seiner entspannten Form führt etwa der Goldene Schnitt zu Proportionen, die den Menschen ansprechen. Was wir mit unseren Werken erreichen wollen, ist die Verbindung von praktischem Nutzen und Schönheit.

"Ich verstehe mich nicht als Künstler und habe nicht den Anspruch, einem Bau meine Handschrift aufzuzwingen."

Sie haben für Global Real Estate von Credit Suisse Asset Management Grossprojekte wie The Exchange im kanadischen Vancouver geplant. Stehen diese Bauten für den Architekturstil, der mit Ihrem Namen verbunden ist?

Ich verstehe mich nicht als Künstler und habe nicht den Anspruch, einem Bau meine Handschrift aufzuzwingen. In unserer Herangehensweise versuchen wir vielmehr, eine spezifische architektonische Antwort auf die Ansprüche des Bauherrn, die vorgesehenen Nutzungen der Immobilie und den städtebaulichen Kontext zu geben, um so dem Projekt sein eigenständiges Gepräge zu geben.

Der Platz in der Schweiz ist begrenzt, Verdichtung ist en vogue. Sind Hochhäuser heute die Ikonen der Verdichtung?

Die nachträgliche Verdichtung von Stadtteilen, also das Nutzen freier Flächen in bereits bebauten Zonen, hat in der Schweiz erst spät eingesetzt. Hochhäuser bilden eine tolle architektonische Herausforderung, sind aber planerisch äusserst anspruchsvoll und haben politisch oft einen schweren Stand. Ich bin der Ansicht, dass die Nähe zum Boden für den Menschen bedeutsam ist. Dass eine solche Verdichtung gut funktioniert, zeigen etwa die Gründerzeit-Quartiere in der Schweiz, wie das Basler «Gundeli». Es gehört mit seinen fünf bis sechs Geschossen zu den am stärksten verdichteten Stadtteilen im Land. Hochhäuser sind somit lediglich eine mögliche Form der Verdichtung, die besondere Aufmerksamkeit provoziert.

Welches sind aus Ihrer Sicht die wichtigsten Trends in der Architektur?

Bei uns sicher die Verdichtung. Als kleines und dicht besiedeltes Land muss die Schweiz haushälterisch mit dem Boden umgehen. Die Zersiedlung der vergangenen Jahrzehnte hat dazu geführt, dass man die Notwendigkeit des Verdichtens erkannt und im Raumplanungsgesetz festgeschrieben hat.

Der bedeutendste Megatrend ist aber auch in der Architektur die Nachhaltigkeit. Er betrifft nicht nur Baumaterialien, sondern auch den Bauprozess und den Unterhalt von bestehenden Bauten. Wir dürfen nicht vergessen: Die Bauwirtschaft, der Gebäudepark und die Infrastruktur sind für einen Grossteil der CO2 -Emissionen und einen enormen, nicht nachhaltigen Verbrauch von Rohmaterialien verantwortlich. Der Handlungsdruck ist entsprechend hoch.

Wagen wir einen Blick in die Zukunft. Wann kommt das rezyklierbare Haus?

Es ist schon da. Eben haben wir im Auftrag eines Kunden und in Zusammenarbeit mit der Erne Holzbau AG am Hirtenweg in Riehen ein solches gebaut. Es handelt sich um einen hochindustriell hergestellten, modularen Holzbau, den man zusammensetzen und wieder in seine Einzelteile zerlegen kann. Von aussen ist dies nicht erkennbar. Das Haus sieht so aus, als ob es schon lange dort stünde, was Identität, also Zugehörigkeit, schafft. Das modulare Bauen ist nicht nur kostengünstig, man kann beispielsweise auch viel näher an Bäume heranbauen, ohne diese zu beschädigen.

Wie sieht es mit dem Einsatz von Farben in der Architektur aus?

Das ist eine Wissenschaft für sich, die wenige wirklich beherrschen. Kommen wir zurück zum bereits erwähnten Wohnbauprojekt am Hirtenweg. Dort verwenden wir beispielsweise eine traditionelle Schlammfarbe zum Schutz der Holzverkleidung. In Zusammenarbeit mit einer Farbberaterin haben wir ein Schwedenrot gewählt, also die Komplementärfarbe zum grünen Föhrenbestand vor Ort. Farben tragen zum Wohlbefinden bei, wecken Emotionen und haben eine grosse Ausstrahlungskraft.

Le Corbusier war – wohl wegen seiner Auseinandersetzung mit der Malerei – ein Meister, was den Einsatz von Farben in der Raumgebung anbelangt. Jede Farbe hat eine spezifische Wirkung auf das Umfeld, die gut abgeklärt sein will.

Wie wünschen Sie sich die Architektur der Zukunft?

Dass wir von der Dominanz der Form, des architektonischen Objekts, wegkommen, hin zu «normalen», einfachen Lösungen. Ein Bau kann super sein, weil er einfach nur «normal» ist. Mancherorts wird der formalistischen Architektur zu viel Gewicht verleiht. Die Architektur ist eine erschöpfte Wissenschaft, es gibt wenig neu zu erfinden. Grundsätzlich arbeiten wir mit Bautypen, die sich bewährt haben und ihre Funktion optimal erfüllen. Diese können wir unter Einsatz neuer, nachhaltiger Baustoffe und digitaler Prozesse weiter optimieren. Anstatt ihre Objekthaftigkeit zu zelebrieren, sollte Architektur in Zukunft vermehrt ihre Umwelt reflektieren und respektieren.

Bauten lassen sich stilistisch Epochen zuordnen. Welcher Baustil wird für den Beginn des 21. Jahrhunderts einmal stehen?

Die Digitalisierung und der Einsatz sowohl althergebrachter als auch neu entwickelter Baustoffe bestimmen zurzeit die Entwicklung der Architektur. Ich hoffe, als Ikonen der heutigen Zeit werden einmal diejenigen Bauten gelten, die ohne gross aufzufallen der Nachhaltigkeit zum Durchbruch verholfen haben. Ob dies mithilfe modernster Technologie oder in archaischer Bauweise geschieht, ist letztlich egal.

Nach über 250 projektierten Bauten: Träumen Sie von einem bestimmten Bau, den Sie gerne realisieren möchten?

Ich möchte noch viele Projekte realisieren. Dabei schwebt mir aber kein bestimmtes Projekt vor. Der Traum ist, gute Architektur zu machen und dabei der Perfektion so nahe wie möglich zu kommen. Dies gelingt einem natürlich nie. Deshalb pflege ich ein kritisches Verhältnis zum realisierten Projekt. Dies wirkt motivierend und führt dazu, dass man sich immer weiterentwickeln möchte. Eines darf man nicht vergessen. Steht das Gebäude einmal, kann Architektur ziemlich vorwurfsvoll in der Stadt stehen, und zwar recht beständig. Also muss man durch umsichtiges und wohlbedachtes Handeln sicherstellen, dass dies nicht der Fall sein wird.

Harry Gugger: Ein erfolgreicher Spätberufener

© Martin Tessler

The Exchange

Vancouver (Kanada)

Auftrag

Herausforderung

Lösung

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