Haltbare Architektur – das klingt so, als ob Sie für die Ewigkeit bauten. Findet für Sie keine Innovation statt?
Gübeli: Ich bin kein Freund von Innovation um jeden Preis. Für mich ist Tradition wichtiger. Das Rad kann man auch nicht neu erfinden. Architektur und Städtebau soll man so machen, wie sie am besten funktionieren. Es kommt nicht von ungefähr, dass die Leute gerne in Altbauwohnungen wohnen. Sie wollen hohe Räume und gute Beleuchtung. Es braucht keine Revolution, sondern man muss mit bestehenden Konzepten sinnvoll arbeiten.
Züst: Denken Sie auch daran, dass Gebäude, die Bestand haben, ökologisch viel nachhaltiger sind.
Heisst das, Sie messen Erfolg daran, ob Architektur langfristig Bestand hat?
Gübeli: Ob eine Lösung funktioniert, zeigt sich über eine längere Zeitdauer. Räume müssen so proportioniert sein, dass sie nutzungsneutral eingesetzt werden können. Auf Ebene der Städteplanung: Wenn eine Überbauung lebendig ist und es keinen Leerstand gibt, zeigt dies, dass sie stimmig ist. Es geht hier um einfache Massnahmen. Aber es geht noch um mehr.
Nämlich?
Gübeli: Ich denke an den wirtschaftlichen Aspekt. Wir müssen Wohnraum anbieten, der für die Menschen bezahlbar ist. Es ist also wichtig, aus der Perspektive der Menschen zu denken, die dort einmal wohnen sollen, und nicht, was uns als Architekten gefällt. Ein Gebäude soll nicht um jeden Preis unglaublich innovativ oder speziell sein. Vielmehr geht es darum, Vernunft, solides Handwerk und klare Ideen walten zu lassen. Als Architekt haben wir die künftigen Nutzer im Auge.
Entscheidend ist aber für viele Mieter die Lage einer Wohnung.
Gübeli: Ja genau. Von entscheidender Bedeutung ist auch, wie die Gebäude in den Stadtraum eingebunden sind – Stichwort Städteplanung.
Um bedürfnisorientiert zu bauen, lassen Sie sich von der Städteplanung leiten.
Züst: Natürlich. Das bringt uns wieder zurück auf Ihre Eingangsfrage. Wenn Sie wissen wollen, wie Wohnen und Arbeiten im selben Raum nebeneinander und miteinander stattfinden können, dann stellt sich nicht nur die Frage, wie das Gebäude und die Räume konzipiert sind. Genauso wichtig ist es, ob die Stadt so angelegt ist, dass am selben Ort gelebt und gearbeitet werden kann. Denken Sie an die Gartenstadt1, die – umgesetzt im Siedlungsbau der Nachkriegszeit – nur zum Wohnen konzipiert wurde. Die Menschen, die dort lebten, mussten weite Strecken zur Arbeit pendeln. Dieses Konzept hat nicht funktioniert.
Was braucht es denn, damit Wohnen und Arbeiten in der Stadt am gleichen Ort möglich sind?
Gübeli: Das kommt darauf an, wo in der Stadt sich ein Gebäude befindet. Beim Projekt Cosmos in Dübendorf am Rand des Grossraums Zürich war es wichtig, das Erdgeschoss mit den entsprechenden Nutzungen lebendig zu machen – zum Beispiel durch Gemeinschaftsräume und Kleingewerbe, Quartierläden und Cafés, die auch für Menschen offen sind, die nicht in der Siedlung leben. Die Qualität der Überbauung wird an der Lebendigkeit des Erdgeschosses gemessen. Das holt die Leute aus der Wohnung, damit sie auch ausserhalb ihres Zuhauses arbeiten können.
Züst: Im Gegensatz dazu steht das Projekt an der Schulstrasse 44 mitten in einem sehr urbanen Gebiet in Oerlikon. Das Hochhaus hat eine direkte Anbindung an den Bahnhof und den Marktplatz. Im Gebäude werden sich ein Hotel, ein Restaurant, Büros und sogar ein öffentlich zugänglicher Stadtbalkon befinden. Diese Elemente gewährleisten die Angliederung an die Stadt. Hier werden das Restaurant und die gewerblichen Nutzungen für ein lebendiges Erdgeschoss sorgen.
Wie sieht es denn mit der Verdichtung aus?
Züst: Wenn wir verdichten, dann nutzen wir städtebauliche Elemente, durch die möglichst viele Menschen am gleichen Ort sein können. Das Hochhaus ist ein solches Element. Dort lassen sich Menschen und Nutzungen in die Höhe «stapeln». Es kann also gleichzeigt gewohnt und gearbeitet werden.