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Die Zukunft gehört dem nachhaltigen Investieren: Herausforderung bekannt, Dynamik in Gang

Es steht schlecht um unseren Planeten und die Wirtschaft ist ein wichtiger Treiber dieser Entwicklung. Diese Erkenntnis ist alt. Neu ist die Dynamik, mit der sich dies ändert: vom Pariser Klimaabkommen bis zum Marktdurchbruch nachhaltiger Technologien.

27. März 2019

Claude Amstutz,
Sustainable Finance Department Senior Advisor Sustainable Finance, WWF
Nico Frey,
Corporate Relations Account Director, WWF

Dieser Marktnarrativ nimmt Tag für Tag mehr Fahrt auf – mit sehr spürbaren Folgen für Unternehmen und Asset Manager, die diese Unternehmen finanzieren.

Die Dimensionen menschlichen Handelns sprengen seit Mitte des 20. Jahrhunderts alle natürlichen Grenzen. Die Erdbevölkerung konsumiert heute im Durchschnitt die Ressourcen und Leistungen von 1,7 Erden – in Europa sind es rund 3. Das heisst, wir leben nicht mehr von den Zinsen der Natur, sondern seit Jahren vom Kapital (s. Grafik «Globaler ökologischer Fussabdruck»). Dass dies längerfristig nicht funktioniert, liegt auf der Hand.

Immer öfter spüren Menschen und Unternehmen auch physisch die Folgen von Umweltverschmutzung, Klimawandel und Co. Heute sind acht der zehn grössten Risiken für die Weltwirtschaft ökologischer Natur oder haben eine sehr enge Korrelation zu ökologischen Problemen.

Globaler ökologischer Fussabdruck
Unterteilt nach Komponenten verglichen mit der Biokapazität der Erde, 1961–2012, in Milliarden globale Hektar (gha)
Quelle: WWF Planet Living Report 2016

Diese Analyse ist nicht neu. Neu sind aber die Folgen in Politik und Wirtschaft. Das von sämtlichen Staaten der Erde unterzeichnete Pariser Klimaabkommen ist ein Beispiel dieser Wende. Damit ist der Ausstieg aus den fossilen Energien innert weniger Jahrzehnte beschlossene Sache. Nur auf dem Papier? Nein, wie diese Hinweise zeigen:

  • Solar- und Windstrom ist bereits in vielen Märkten günstiger als fossile Energien, unter anderem in Indien, Südafrika, Holland und den USA.
  • Eine Welt ohne Benzinautos? Frankreich, UK, Indien, Holland oder China haben für die Zeit zwischen 2030 und 2040 Verkaufsverbote angekündigt. Spätestens bis 2050 soll in Europa kein Erdöl, keine Kohle oder kein Gas mehr verbrannt werden, wie Richtlinien der EU und verschiedene Ländergesetze festhalten. Norwegen will bereits 2032 netto kein CO2 mehr ausstossen, Island ab 2040, Schweden ab 2045.
  • Grosse Investoren wie der Norwegische Staatsfonds ziehen sich aufgrund zu hoher Risiken aus der Kohleindustrie zurück. Irland ist das erste Land, das sich gänzlich aus der Finanzierung von fossilen Energieträgern zurückzieht.
  • Die grossen Versicherungen tun es ihnen gleich und setzen mit eigenen Commitments nach: Allianz, Axa, Swiss Re usw.
  • Die Europäische Union installiert die «High-Level Expert Group on Sustainable Finance» und der Finanzstabilitätsrat (FSB) gründet die «Task Force on Climate-related Financial Disclosure», welche in Rekordzeit Empfehlungen, Richtlinien, Gesetze und deren Anpassungen vorschlägt.
  • Acht Zentralbanken und Aufsichtsbehörden (u.a. von UK, D, F, Singapur, China) schliessen sich zu einem Netzwerk für die Ökologisierung des Finanzsystems zusammen.
  • Global führende Asset Manager betonen öffentlich, dass ökologische Aspekte zu den wichtigsten Investmentüberlegungen zählen.

Diese Auflistung liesse sich problemlos über Seiten weiterführen. Die Beispiele zeigen, dass sich ein neues Marktnarrativ durchsetzt: Wirtschaftliche Leistung muss ökologischen und/oder gesamtgesellschaftlichen Nettonutzen schaffen. Das bedeutet, dass Finanzströme umgelenkt werden müssen, wie das im Pariser Klimaabkommen ausdrücklich festgehalten ist. Dem Asset Management in seiner verantwortungsvollen Rolle als Vermittler und Verwalter von Vermögen kommt dabei eine entscheidende Rolle zu. Mit gezieltem Umlenken lassen sich neue Marktchancen packen und bis anhin ausgeblendete Risiken systematisch integrieren. Jetzt zu reagieren, ist notwendig und aus ökologischer, gesellschaftlicher aber vor allem auch aus wirtschaftlicher Sicht sinnvoll.

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Nachhaltiges Investieren als Business Case der Zukunft

Asset Manager tragen eine treuhänderische Verantwortung, die über das konventionelle Risikomanagement und die Wertentwicklungsziele hinaus reichen. Die Asset Manager erzielen mit der Allokation der ihnen anvertrauten Gelder, bewusst sowie unbewusst, eine Wirkung auf Gesellschaft und Umwelt. Ganz explizit erwarten Aufsichtsbehörden und Kunden immer stärker, dass Nachhaltigkeitsrisiken und -chancen aktiv berücksichtigt werden. Der Markt für nachhaltiges Asset Management entwickelt sich entsprechend sehr dynamisch. Die beiden Haupttreiber sind die starke Nachfrage seitens institutioneller Anleger und die gute Performance nachhaltiger Anlagen – oft mit einer holistischen und längerfristigen Risikoberücksichtigung. Die zunehmende Vielfalt nachhaltiger Anlageprodukte und -dienstleistungen sowie die Sublimation der bestehenden nachhaltigkeitsbezogenen Investmentansätze tragen ebenfalls zum Markwachstum bei.

Nicht alle Produkte mit einer ESG-Etikette (Environmental, Social, Governance) verdienen diese Etikette: Die Qualität muss immer an der effektiven und langfristig ganzheitlichen Wirkung auf Umwelt und Gesellschaft gemessen werden. Dies ist entscheidend bei der Konzeption, Überwachung und Weiterentwicklung einer nachhaltigen Anlagestrategie die über eine reine Produktlösung hinausgeht. Ohne diesen systematischen Fokus verkommt nachhaltiges Investieren zur Alibiübung und wird im neuen Marktnarrativ auch nicht wirtschaftlich sein können.

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