Kontakt

Menü

Artikel

Was die neuesten Erkenntnisse des IPCC für die (Rück-)Versicherungs- und ILS-Märkte bedeuten

Der jüngste Bericht des Weltklimarats (Intergovernmental Panel on Climate Change, IPCC), der im August 2021 veröffentlicht wurde, enthielt ein ganzes Kapitel über die Auswirkungen des Klimawandels auf extreme Wetterbedingungen wie Hurrikane, Schneestürme, Hochwasser und Dürreperioden. Der ICPP-Bericht fasst die neuesten Erkenntnisse von Wissenschaft und Forschung zum Thema Klimawandel zusammen und kommentiert sie.

10. Dezember 2021

Niklaus Hilti, Head of Credit Suisse Insurance Linked Strategies,
Georges Bolli, Risk Aggregation & Management bei Credit Suisse Insurance Linked Strategies

Zusammenfassung

Wir haben versucht, anhand dieser neuen Erkenntnisse zu den Klimatrends die Auswirkungen auf die Versicherungsbranche, einschliesslich Rückversicherungs- und ILS-Märkten, zu quantifizieren. Soweit wir wissen, ist der folgende Bericht der erste seiner Art, der das klimaabhängige jährliche Anwachsen der Versicherungsschäden in den Rückversicherungs- und ILS-Märkten quantifiziert. Zudem haben wir versucht, die Auswirkungen auf die (Rück-)Versicherungsbranche zu quantifizieren, die über die kommenden 20 Jahre aufgrund der Erderwärmung und der damit verbundenen erhöhten Anzahl von Extremwetterereignissen zu erwarten sind.

Unserer Ansicht nach dürfte die jährliche klimaabhängige Schadeninflation in der Gebäudeversicherung für die (Rück-)Versicherungsbranche je nach Exponiertheit, Region, Art des Elementarschadens und Vorrangigkeit der Rückversicherungstransaktion zwischen 1,35 und 2,50 % liegen. Die (Rück-)Versicherungsbranche (einschliesslich ILS) hat ihre Prämien in den vergangen zwei Jahrzehnten nicht ausreichend erhöht. Insbesondere die tiefen Rückversicherungsprämien während der schwachen Marktphase zwischen 2012 und 2017 waren eine schwere Belastung für die Angemessenheit der Margen.

Die schwierigen Jahre von 2017 bis 2021 mit den hohen, durch Naturkatastrophen verursachten Schäden, haben jedoch weltweit zu einem steten Anstieg der Prämien geführt. Dieses positive Momentum war und ist notwendig zur Anpassung der risikobereinigten Prämien für Rückversicherer und ILS-Anleger. Zudem kann sich der Rückversicherungsmarkt (einschliesslich ILS) künftig keine geringeren risikobereinigten Prämien mehr leisten. Unter Berücksichtigung des Anstiegs der Versicherungsschäden müssen risikobereinigte Prämien pro Jahr um mindestens 2 % ansteigen, wenn die Versicherer künftig in klimabezogener Hinsicht zumindest risikoneutral bleiben wollen.

Eine der Fragen, die Anleger heute am häufigsten stellen, ist, ob die Risikomodelle die Trends des Klimawandels angemessen wiedergeben. Wir haben das Hurrikan Risiko für die USA einer Analyse unterzogen, die den Zeitraum von 2006 bis 2021 abdeckt. Diese Analyse zeigt auf, dass die klimabezogene Versicherungsschadeninflation vom Risikomodel, welches wir in unsere Bewertung integriert haben, berücksichtigt wird.

Letztendlich sind wir überzeugt davon, dass es unabdingbar ist, strengere Massnahmen zu ergreifen und entscheidende Schritte beim Risikomanagement von ILS-Portfolios zu unternehmen, um diese gegen eine durch den Klimawandel verursachte Inflation der versicherten Schäden widerstandsfähig zu machen. Wir sind der Ansicht, dass eine Kombination von Risikominderung und höheren Prämien die Kernstrategie für die Rückversicherungs- und ILS-Märkte darstellt. Zudem müssen die Rückversicherungs- und ILS-Märkte jetzt entschlossen handeln und jährliche Anhebungen der risikobereinigten Prämien verlangen, um hinsichtlich des Klimawandels zumindest risikoneutral zu bleiben.

Einführung

Der IPCC ist eine unabhängige Organisation, welche die aktuelle Forschung zum Klimawandel umfassend analysiert und zusammenfasst. Der im August 2021 veröffentlichte sechste Sachstandsbericht (AR6) des IPCC umfasst erstmalig eindeutige Einschätzungen weltweiter Extremwetterereignisse unter regional veränderten Klimabedingungen. In diesem neuen Bericht hat der IPCC seine Erkenntnisse hinsichtlich des Kausalzusammenhangs zwischen der durch Menschen verursachten Erderwärmung und Extremwetterereignissen wie Dürreperioden, extremen Niederschlägen, tropischen Zyklonen und sonstigen Stürmen dargelegt. Daraus geht klar hervor, dass selbst geringste Erhöhungen der Erdtemperatur unverhältnismässig massive Auswirkungen auf Extremwetterereignisse haben können.

  • Mit diesem Artikel und der zugrundeliegenden Analyse wollen wir versuchen, die jüngsten Erkenntnisse des IPCC-Berichts auf die (Rück-)Versicherungs- und ILS-Branche anzuwenden und folgende Fragen zu beantworten:
  • Welches sind die wichtigsten Extremwetterereignisse für die (Rück-)Versicherungs- und ILS-Branche, und welche Klimawandeltrends sind für diese Risiken erkennbar?
  • Werden diese Risiken durch die Risikomodelle der (Rück-)Versicherungs- und ILS-Branche korrekt wiedergegeben?
  • Preisen die Marktteilnehmer den Klimawandel in ihre Produkte ein?
  • Werden Rückversicherer und ILS-Anleger angemessen für Klimatrendrisiken entschädigt?
  • Hat die (Rück-)Versicherungs- und ILS-Branche die Möglichkeit, Klimatrends zu managen?
  • Wie sehen die Aussichten für die Branche aus, und wie wird sich der ohnehin unvermeidliche weitere Temperaturanstieg auf die Rentabilität der globalen (Rück-)Versicherungs- und ILS-Branche auswirken?

In welchem Umfang ist der Rückversicherungs- und ILS-Markt den Risiken des Klimawandels ausgesetzt?

Abbildung 1 veranschaulicht die Aufteilung des Cat Bond- und Rückversicherungsmarktes nach Gefahren und Regionen. Gefahren in Grau stellen nichtwetterabhängige Risiken dar. Gefahren in Grün stellen wetterabhängige Risiken dar. Gefahren in Blau stellen gemischte, potenziell wetterabhängige Risiken dar. Für unsere Untersuchung der Auswirkungen von Klimawandeltrends haben wir grüne und blaue Gefahren mitberücksichtigt. Unsere Analyse deckt daher etwa 80 bis 90 % des wetterexponierten Cat Bond Markets und etwa 70 bis 80 % des wetterexponierten Katastrophenrückversicherungsmarkts für Gebäude ab.

Zusammensetzung des Cat Bond und Rückversicherungsmarkt

Abbildung 1

EB = Erdbeben
1 Ausstehendes Cat Bond Volumen, exklusive Lebens- und Private Cat Bonds.
2 Angenommene Limite für Naturkatastrophen-Gebäudeversicherung
Nur zur Veranschaulichung. Daten per September 2021. Quelle: Credit Suisse

Wie in Abbildung 1 dargestellt, haben tropische Wirbelstürme (allgemein als Hurrikane und Taifune bekannt) die weltweit grösste Relevant für den ILS- und Katastrophenrückversicherungs-Markt. Es ist daher hilfreich, sich zunächst auf tropische Wirbelstürme im Allgemeinen und US-Hurrikane im Besonderen zu konzentrieren.

Klimatrends und Auswirkungen auf die (Rück-)Versicherungs- und ILS-Branche

Tropische Zyklone (Hurrikane und Taifune)

Tabelle 1 zeigt die Beziehung zwischen Hurrikan Geschwindigkeiten und der daraus resultierenden zerstörerischen Gewalt. Die linke Seite der Tabelle zeigt die Saffir-Simpson-Skala, nach der tropische Zyklone im Allgemeinen klassifiziert werden. Die ersten beiden Spalten auf der rechten Seite der Tabelle zeigen einen Vergleich der Zerstörungskraft von Hurrikanen unterschiedlicher Kategorie mit der Zerstörungskraft eines Hurrikans der Kategorie 1.

Die letzten beiden Spalten vergleichen schwere Hurrikane (Kategorie 3 bis 5) mit durchschnittlichen Hurrikanen der Kategorie 1 und 2. Die Zerstörungskraft eines Hurrikans ist proportional zu den versicherten Schäden und wird durch den Hurrikan-Intensitätsindex (Hurricane Intensity Index, HII) oder den Hurrikan-Gefahrenindex (Hurricane Hazard Index, HHI) ausgedrückt. Wie der Vergleich zeigt, ist das zerstörerische Potenzial eines schweren Hurrikans ungefähr 3,7-mal so hoch wie das zerstörerische Potenzial eines durchschnittlichen Hurrikans der Kategorie 1 oder 2.

Tabelle 1

    Maximale anhaltende Windgeschwindigkeit über 1 Minute
HII HHI HII (schwer bis schwach)
HHI (schwer bis schwach)
  Kategorie
Meilen pro Stunde

Kilometer pro Stunde
       
Tropisches Tiefdruckgebiet
  <39 <63        
Tropischer Sturm
  39–73 63–118        
Hurrikan
Kategorie 1
74–95 119–153 1 1 1 1
Hurrikan
Kategorie 2
96–110 154–177 1.90 × 2.64 ×
Hurrikan
Kategorie 3
111–129 178–208 2.60 × 4.30 × 2.30 × 3.70 ×
Hurrikan
Kategorie 4
130–156 209–251 3.75 × 7.30 ×
Hurrikan
Kategorie 5
>156
>251 5.10 × 11.70 ×

Nur zur Veranschaulichung. Quellen: Credit Suisse, IPCC. Herausgeber: Mehdi Rezapour und Tom E. Baldock (Dezember 2014), in: Weather and Forecasting. Herausgeber: Kossin et al. (2020), Modellierungsunternehmen

Das Ergebnis zeigt, dass mit zunehmender Windgeschwindigkeit die versicherten Schäden unverhältnismässig zunehmen. Bei schweren Hurrikanen bewegt sich der Zuwachs der Zerstörungskraft in einer Grössenordnung von 130 bis 270 %. Historisch betrachtet, haben schwere Hurrikane über 85 % der Schäden in den USA verursacht, obwohl nur 24 % von ihnen die Küste erreicht haben.

Der IPCC-Bericht bemerkt Folgendes zu tropischen Zyklonen:

Wichtigste Erkenntnisse des IPCC-Berichts:

  • Statistisch betrachtet, scheint sich bei gleichbleibender Gesamtzahl der Hurrikane die Häufigkeit schwerer Hurrikane um 6 % pro Jahrzehnt (während der letzten vier Jahrzehnte) zu erhöhen, und zwar auf Kosten von Hurrikanen der Kategorie 1 und 2.
  • Die heftigen Niederschläge, die mit tropischen Zyklonen einhergehen, haben sich erheblich verstärkt.
  • Im westlichen Nordpazifik wurde eine Verschiebung tropischer Zyklone nach Norden beobachtet.
  • Tropische Zyklone scheinen sich über Land langsamer zu bewegen.

Um die Auswirkungen tropischer Zyklone auf die (Rück-)Versicherungs- und ILS-Märkte quantifizieren zu können, haben wird im Hinblick auf die Klimatrends folgende Annahmen getroffen:

  • Zunahme der Häufigkeit schwerer Hurrikane um 10 % (über ein Jahrzehnt), und zwar auf Kosten von Hurrikanen der Kategorie 1 und 2.

Diese Annahme berücksichtigt den oben erwähnten Trend von 6 % und zielt darauf ab, die zunehmenden Hurrikan-Schäden durch vermehrte Niederschläge und langsamere Fortbewegung über Land zu quantifizieren. Während der vergangenen Jahrzehnte gab es mehrere tropische Zyklone, die erhebliche Niederschlagsschäden zur Folge hatten, darunter Hurrikan Harvey (2017), Hurrikan Florence (2018) und der tropische Sturm Allison (2001). Zudem war während der vergangenen Jahrzehnte eine rasch zunehmende Intensivierung der Hurrikane zu beobachten. In Anbetracht all dieser Faktoren gehen wir bei gleichbleibender Gesamtzahl der Hurrikane von einem Zuwachs der schweren Hurrikane in einer Grössenordnung von etwa 10 % aus.

Ein 10%iger Zuwachs über 10 Jahre ist zwar kein starker Trend, wir haben aber dennoch versucht, seine Auswirkungen auf die (Rück-)Versicherungsbranche zu quantifizieren. Aus diesem Grund haben wir ein Risikomodell angewandt, das in der Versicherungsbranche generell zur Berechnung von Hurrikan-Schäden benutzt wird, und haben es so angepasst, dass im simulierten Beispiel bei gleichbleibender Gesamtzahl der Hurrikane das Aufkommen schwerer Hurrikane um 10 % erhöht ist.

Tabelle 2

Schadentrigger in der Versicherungsbranche(in USD Mia.) Erhöhte Ausfallwahrscheinlichkeit (einschliesslich 10 % Zuwachs über 10 Jahre)
20 +14%
40 +17%
60 +18%
80 +19%
100 +23%
120 +24%
200 +25%
250 +26%

Nur zur Veranschaulichung. Quelle: Credit Suisse, Verkäufermodell

Der simulierte Trend eines Zuwachses der Hurrikan-Intensität um 10 % pro Jahrzehnt ergibt eine Erhöhung der Ausfallwahrscheinlichkeit bei Branchenschadensquoten in Höhe von USD 20 bis 250 Mia. Die Werte in Tabelle 2 lassen eine überproportionale Auswirkung auf das «Tail-Risiko» erkennen (d. h. erhöhte Wahrscheinlichkeit schwerer Katastrophenereignisse).

In einem nächsten Schritt haben wir die folgenden nicht-klimabedingten Trends des Expositionswachstums betrachtet:

  • Veränderungen im Verbraucherpreisindex und Inflation bei Löhnen im Baugewerbe und bei Materialkosten
  • Bevölkerungswachstum und Zunahme der Wohneinheiten
  • Allgemeines Vermögenswachstum

Das durchschnittliche nicht-klimaabhängige Expositionswachstum in den USA während der vergangenen 30 Jahre liegt bei schätzungsweise 3,4 bis 3,9 % pro Jahr.

Unaufhaltsam steigende Temperaturen während der kommenden Jahrzehnte geben Anlass zu der Befürchtung, dass die Versicherungsschadeninflation aufgrund des Klimawandels demnächst 60 bis 70 % der nicht-klimaabhängigen inflationären Schadentrends ausmachen könnte. Wir sind daher der Meinung, dass der gesamte inflationäre Schadentrend (klima- und nichtklimaabhängig) zu einem jährlichen Zuwachs von 5,5 bis 7,5 % führen könnte, der an die Versicherer und letztendlich an die Verbraucher weitergegeben werden muss.

Werden diese inflationären Risiken durch die Risikomodelle der (Rück-)Versicherungs- wiedergegeben?

Wir haben die Ergebnisse der Risikomodellierungen von 2006 bis 2021 zum Vergleich herangezogen und ein im 2006 aufgelegter Cat Bond analysiert. Tabelle 3 zeigt die Risikowerte für 2006 und die Risikowerte gemäss dem heutigen Modell sowie das jeweilige Delta.

Tabelle 3

  Modellanalyse 2006 (erwartete Schäden p.a.) Modellanalyse 2021 (erwartete Schäden p.a.)
Delta 2021/2006 (Modellinflation) (jährlich)
Delta 2021/2006 (Modellinflation) (jährlich)
Angenommene klima- und nichtklima-abhängige Inflation (jährlich)
  Langfristig
Wärmere Meeresoberflächen-temperaturen
Langfristig
Wärmere Meeresoberflächen-temperaturen
Langfristig
Wärmere Meeresoberflächen-temperaturen
 
Tranche 1 1.79% 2.69% 4.30% 4.90% 6.02% 4.08% 4.75%–6.40%
Tranche 2 2.28% 2.97% 5.30% 6.00% 5.78% 4.80% 4.75%–6.40%
Tranche 3 3.02% 3.79% 6.80% 7.70% 5.56% 4.15% 4.75%–6.40%
Tranche 4 3.97% 4.96% 9.10% 10.40% 5.69% 5.06% 4.75%–6.40%

Nur zur Veranschaulichung. Daten per September 2021. Quelle: Credit Suisse, Modellierungsunternehmen, das die Unterlagen zur Katastrophenanleihe zur Verfügung gestellt hat

Wenn man davon ausgeht, dass das Risikomodell den Gesamttrend bei den inflationären Schäden (einschliesslich klima- und nichtklimaabhängiger Trends) über die letzten 15 Jahre wiedergibt, drängt sich als Nächstes die Frage auf, ob Rückversicherer und ILS-Manager in der Lage waren, den modellierten inflationären Schadenzuwachs durch angemessene Prämienerhöhungen auszugleichen.

Werden Rückversicherer und ILS-Anleger insgesamt angemessen für Klimatrendrisiken entschädigt?

Zur Beantwortung dieser Frage haben wir versucht, transparente, gleichwertige Strukturen miteinander zu vergleichen.

Tabelle 4

  Modellanalyse 2006  (erwartete jährliche Schäden)
Geschätzter Coupon 2006
Modellanalyse 2021 (erwartete jährliche Schäden)
Geschätzter Coupon 2021
  Langfristig
Wärmere Meeresoberflächen-temperaturen
  Langfristig
Wärmere Meeresoberflächen-temperaturen
 
Tranche 1 1.79% 2.69% 10.0% 4.3% 4.9% 10.0%
Tranche 2 2.28% 2.97% ≈12.5% 5.3% 6.0% 11.0%
Tranche 3 3.02% 3.79% ≈14.5% 6.8% 7.7% 12.5%
Tranche 4 3.97% 4.96% ≈16.0% 9.1% 10.4% 14.0%

Nur zur Veranschaulichung. Daten per September 2021. Quelle: Credit Suisse, Modellierungsunternehmen, das die Unterlagen zur Katastrophenanleihe zur Verfügung gestellt hat

Tabelle 4 lässt darauf schliessen, dass Rückversicherer und ILS-Manager trotz des erhöhten Risikos nicht in der Lage waren, höhere Prämien zu verlangen. Das bedeutet, dass die erhöhten Risiken die Marge der ILS-Anleger verringert haben.

In Abbildung 2 ist zu erkennen, dass auch die Prämienniveaus im Industry-Loss-Warranty-Markt (ILW) nicht mit der Erhöhung der Risiken (aus klima- und nichtklimaabhängiger Inflation) Schritt gehalten haben.

Historische ILW Prämienentwicklung für alle Elementarschäden in den USA bei Branchenverluste von USD 50 Mia.

Abbildung 2

Historische ILW Prämienentwicklung für alle Elementarschäden in den USA bei Branchenverluste von USD 50 Mia.
Nur zur Veranschaulichung. Daten per 30. September 2021. Quelle: Credit Suisse, Broker Prices, Guy Carpenter, Aon Benfield, Willis Re

Die Prämienentwicklung für ein ILW mit einem Branchenschadentrigger in Höhe von USD 50 Mia. bei Naturkatastrophen (einschliesslich Hurrikane) demonstriert, dass sich die heutigen Prämien auf dem Niveau von vor 8 Jahren (2013) bewegen, während sich die Risiken, wie die Trendlinie der erwarteten Schäden illustriert, stetig erhöht haben. Wendet man diese erhöhten Trendrisiken an, zeigt sich, dass die risikobereinigten Prämien heute erheblich höher sein müssten.

Anmerkungen zu den diversen Marktsektoren

Versicherungen sind von den Hurrikan-bedingten Klimawandeltrends nicht ganz so stark betroffen, da die Netto-Exponierung nicht direkt im «Tail-Risiko» liegt. Allerdings geben sie vermehrt Risiken an Rückversicherer und ILS-Anleger weiter und müssen daher letztendlich mit erhöhten Kosten für Rückversicherung und Risikotransfers an ILS rechnen. Die Kostensteigerungen für Versicherer unterliegen vermutlich einem fünf- bis zehnjährigen Verzug.

Zahlreiche Bundesstaaten regulieren die Prämienerhöhungen und Selbstbehalte bei Versicherungen, weswegen die Versicherer die Kosten für die aufgrund des Klimatrends inflationären Risiken nicht an die Versicherungsnehmer weitergeben können. Gemäss unserer Analyse wurden im Bundesstaat Florida während der vergangenen 15 Jahre massgebliche Erhöhungen von Selbstbehalt- oder Prämienraten, mit denen der Versicherer solche inflationären Trends decken könnte, nicht gestattet. Unserer Ansicht nach ist die risikobereinigte Preisgestaltung von Versicherungspolicen zumindest fragwürdig.

Rückversicherer scheinen diese Trendrisiken zu ignorieren, da die Selbstbehalte im Wesentlichen gleichgeblieben sind und die Prämienerhöhungen nicht mit der klima- und nicht-klimaabhängigen Inflation Schritt halten können. Die risikobereinigten Margen sind daher geschrumpft.

ILS- und Cat Bond Markt: Ähnlich wie bei den Rückversicherern sind auch im gesamten ILS-Markt die Margen geschrumpft. Die Selbstbehalte im Cat Bond Markt sind jedoch gestiegen, was das Risiko entsprechend verringert. Der Cat Bond Markt ist daher in einer besseren Position. Entscheidend ist, dass die risikobereinigten Prämien in den nächsten Jahren um mindestens 2% steigen müssen, um mit der Schadeninflation Schritt zu halten. Die Anzeichen stehen demnach weiterhin positiv und bieten eine Möglichkeit, ILS-Investitionen weiterhin attraktiv zu halten.

In der Abbildung unten, die den ausstehenden Cat Bond Markt in der Darstellung von Lane Financials zeigt, bildet der dunkelblaue Bereich die modellierten erwarteten Schäden und die gepunktete Linie den gleitenden Mittelwert des Rendite-Spreads ab. Der Umstand, dass sich die erwarteten Schäden heute nur auf 3 % belaufen – trotz der zunehmenden modellierten Schäden, die sich während der vergangenen 15 Jahre mehr als verdoppelt haben –, signalisiert die erhebliche Risikoreduktion im Markt und damit eine Marge, die nach wie vor für Anleger attraktiv ist, obwohl sie sich verringert hat.

Allerdings sind wir der Ansicht, dass Prämienerhöhungen und/oder Risikoreduktionen während der kommenden Jahrzehnte beträchtlich sein sollten, damit die Branche mit der klima- und nicht-klimaabhängigen Inflation Schritt halten kann.

Historischer Rendite-Spread und erwartete Schäden von Cat Bonds von Lane Financials

Abbildung 3

Historischer Rendite-Spread und erwartete Schäden von Cat Bonds
Daten per September 2021. Quelle: Lane Financial

Sonstige Gefahren wie Hochwasser und Waldbrände

Der IPCC-Bericht weist nach, dass sich die erwartete Häufigkeit heftiger Niederschläge über Land (30% mehr als vor der Industrialisierung) und landwirtschaftlicher Dürreperioden (70% mehr als vor der Industrialisierung) schon jetzt drastisch erhöht hat. Abhängig vom künftigen Niveau der Erderwärmung, werden sich diese Trends erheblich verschärfen. Dementsprechend stellen Hochwasser- und Waldbrandrisiken ein beträchtliches Klimatrendrisiko dar. Wir möchten darauf hinweisen, dass für beide Risikokategorien nicht nur ein Trend hinsichtlich der Schwereverteilung (ähnlich wie bei den oben besprochenen tropischen Zyklonen), sondern auch ein Trend hin zu erhöhter Häufigkeit und Schwere festzustellen ist.

Bei der Modellierung der potenziellen Auswirkungen hinsichtlich der Versicherungsschäden berücksichtigen wir die gestiegene Schadenverteilung aufgrund der Erhöhung von Häufigkeit und Schwere. Daher nehmen wir an, dass die erhöhte Häufigkeit heftiger Niederschläge proportional zum erhöhten Hochwasserrisiko ist. Zudem nehmen wir an, dass die erhöhte Häufigkeit landwirtschaftlicher Dürreperioden proportional zum erhöhten Waldbrandrisiko steht. In Anbetracht der Tatsache, dass sich die im IPCC-Bericht zum Thema landwirtschaftliche Dürreperioden getroffenen Aussagen ausschliesslich auf Regionen mit erhöhtem Dürrerisiko beziehen, sind unsere Berechnungen lediglich Annäherungen, mit dem Ziel, die für Rückversicherer und ILS-Fonds relevanten «Tail-Effekte» zu verstehen

Tabelle 6

  Ursprüngliches Risiko (1850 bis 1900) Erhöhtes Risiko 97%-Perzentil = 1 in 33 Jahren Erhöhtes Risiko 99%-Perzentil = 1 in 100 Jahren
Globale Temperatur   +1 °C heute +1,5 °C etwa 2040 +1 °C heute +1,5 °C etwa 2040
Hochwasserrisiko 1 +32 % +54 % +37 % +57 %
Waldbrandrisiko 1 +82 % +124 % +84 % +129 %

Source: IPCC report

Interessant an der obenstehenden Tabelle ist der Vergleich mit dem vorindustriellen Niveau: Sieht man sich das erhöhte Risiko bei einem Temperaturanstieg von 1 °C an, könnte man sagen, dass es sich ja nur um eine Risikoerhöhung von 32 auf 84 % über einen Zeitraum von 120 Jahren handelt. Daher könnte man diesen Trend für unerheblich halten.

Man muss jedoch berücksichtigen, dass dieser Trend in der Vergangenheit nicht linear verlief. Der Grossteil der Auswirkungen war erst in den vergangen 30 bis 40 Jahren feststellbar. Zudem müssen wir berücksichtigen, dass wir, ungeachtet aller Massnahmen zur Reduktion von Treibhausgasemissionen, bis 2040 fast sicher eine Temperaturerhöhung von 1,5 °C erleben werden. Demzufolge ergibt sich für diesen Zeitraum eine weitere Erhöhung des Risikos um 20 %.

Fazit

  • Fokus auf der Erhöhung der Selbstbehalte

Bei risikoreicheren Rückversicherungsaktionen (z. B. Transaktionen mit Trigger-Levels bei Industrieschäden in den USA von USD 15 Mia oder tiefer), sind Rückversicherer und ILS-Manager sämtlichen Risiken wie Hurrikanen, Waldbränden, Hochwasser, schweren Schneestürmen usw. ausgesetzt. Jedes der genannten Risiken kann aufgrund des Klimatrends und anderer nicht-klimaabhängiger inflationärer Trends einer Schadeninflation unterliegen. Die Gesamtschadeninflation solcher Transaktionen ist daher die Summe der Schadeninflationen aus den diversen Risiken. Solche risikoreichen Rückversicherungstransaktionen werden daher künftig tabu sein, auch Transaktionen auf höherem Niveau müssen sorgfältig überwacht werden, wenn durch angemessene Prämienerhöhungen Risikoneutralität gewährleistet werden soll.

  •  Fokus auf klaren Strukturen

Die mit klimaabhängigen Trends verbundenen Risiken lassen sich weitgehend reduzieren, wenn man in Transaktionen investiert, die lediglich ein Einzelrisiko (z. B. tropische Zyklone) decken. Jedes weitere Risiko in einer Transaktion kann zu einem unverhältnismässigen Anstieg des klimaabhängigen Trendrisikos führen. Wir bevorzugen daher künftig klare Strukturen mit begrenzten Risikoklassen, damit wir die verbundenen Trendrisiken entsprechen managen können. Zahlreiche Cat Bonds decken ausschliesslich Spitzenrisiken (z. B. Erdbeben und/oder tropische Zyklone), weswegen sie im Vergleich zu einer traditionellen Rückversicherungstransaktion, die «alle Elementarschäden» einschliesslich allfälliger stark klimaabhängiger Sekundärrisiken (z. B. Waldbrände) deckt, eine klarere Struktur aufweisen.

  • Fokus auf Einzelereignis- statt Aggregierte Transaktionsstrukturen

Im Allgemeinen erhöhen Rückversicherungstransaktionen mit aggregierten Trigger-Strukturen die Komplexität der jeweiligen Schadentrends. Unsere gegenwärtige Annahme lautet, dass bei einer Rückversicherungstransaktion mit Einzelereignis-Deckung («Occurrence-Trigger) die Prämie pro Jahr um 4,75 bis 6,40 % erhöht werden muss, wenn sie risikoneutral bleiben soll. Bei einer Rückversicherungstransaktion mit einer aggregierten Struktur wären für denselben Zweck pro Jahr 6 bis 9 % Prämienerhöhung erforderlich. Daher bevorzugen wir zur Verringerung der Komplexität in unseren Portfolios künftig Transaktionen mit Einzelereignis-Strukturen.

Da bei den Gesamtrisikoeinschätzungen im Rückversicherungsgeschäft für Naturkatastrophen mit einem Wandel zu rechnen ist und die nichtstationären Klimarisiken sich weiterentwickeln und die Komplexität erhöhen, wird es zunehmend wichtiger, ein differenziertes Verständnis dieser Trends zu entwickeln und diese in fortschrittliche Underwriting-Fähigkeiten umzusetzen. Wir als ILS-Manager glauben, dass wir gut positioniert sind, um proaktiv auf diese Trends zu reagieren und unsere ILS-Portfolios nachhaltig durch die kommenden Herausforderungen zu navigieren. 

Wichtige Hinweise
Bitte beachten Sie, dass die vorgenommenen Analysen/Bewertungen auf einem der meistgenutzten Risikomodelle für die Bewertung von Naturkatastrophenrisiken basieren. Die resultierenden Schlussfolgerungen beziehen sich daher ausschliesslich auf dieses Modell und können nicht auf andere in der (Rück-)Versicherungsbranche eingesetzte Risikomodelle angewandt werden.